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Sommer in Tromsö

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Liebe Lore,

heute habe ich viiiieeel Zeit, denn mein Flug von Oslo nach Hause geht erst in ein paar Stunden.

Jetzt willst du vielleicht wissen, wie es mir in der Kälte des norwegischen Nordens gefallen hat. Na, so kalt war es gar nicht, zumindest nicht immer. Vor ein paar Tagen ist auf einmal der Sommer in Tromsö ausgebrochen. Das ist nicht so normal und selbstverständlich, wie es klingt, denn die Stadt liegt zwischen 69 und 70 Grad nördlicher Breite. Zum Vergleich: Berlin liegt bei über 52 Grad, Frankfurt bei über 50 Grad. Der Nordpol würde sich bei 90 Grad herumtreiben.

Entsprechend enthält mein Koffer das entsprechende Kälte-Outfit wie Mütze, Schal und Handschuhe, ein Zubehör, das ich zu Hause schon vor vielen Wochen in den hintersten Winkel des Kleiderschranks verbannt hatte.

NorwegenUnd dann, am Donnerstag, als wir aufgewacht sind, schaute auf einmal eine strahlende Sommersonne durchs Fenster. Als ich losging, um fürs Frühstück einzukaufen, herrschte schon sommerliches Gewusel draußen. Der eine Nachbar baute an seiner Terrasse weiter, der nächste mähte seinen Rasen, und auf dem Spielplatz des „Barnehage“, dem Kindergarten des Wohnviertels, liefen die kleinen Mädchen in rosa Sommerkleidern herum. Einige winkten mir zu und riefen: „Hei-hei!“

Im örtlichen Supermarkt war ich diejenige, die die meisten Kleidungsschichten trug. Die jungen Frauen hier wollen eben auch mal ihre schicken Sommersachen anziehen, wohl wissend, dass der Spaß schon morgen vorbei sein kann. Zumal das Thermometer am Tag zuvor noch winterliche Temperaturen angezeigt hatte.

RentiereWenn hier die Sonne scheint – zurzeit Tag und Nacht – ist das Land so unglaublich schön! Wenn die schneebedeckten Berge sich in den Fjorden spiegeln, dann liegt so eine ruhige Heiterkeit über der Landschaft, die die Seele streichelt und ihr das Gefühl gibt, dass die Welt in Ordnung ist. GKanaldeckel in Tromsöanz in Ordnung ist es auch, wenn hier die Rentiere auf der Straße herumlaufen, denn schließlich gehört das Land auch ihnen. In Tromsö zieren sie sogar die örtlichen Kanaldeckel!

TromsöTromsö liegt auf einer Insel und ist über Brücken und Tunnel mit anderen Inseln in dem verzweigten Fjordsystem verbunden. Eine Stadt so weit oben im Norden und so abgelegen hatte ich mir ruhig und verschlafen vorgestellt. Eine naive Vorstellung, denn Tromsö mit seinen über 72.000 Einwohnern verfügt über Industrie, einen großen Hafen, moderne Internetunternehmen und nicht zuletzt die nördlichste Universität Europas mit einem großen Campus. Und wenn die täglich anlegenden Kreuzfahrtschiffe ihre Passagiere auf Landgang schicken, dann schieben sich die Leute in dichtem Gewühl durch die Fußgängerzone wie auf der Hamburger Mönckebergstraße.

Auch die Vorstellung, hier oben würden vor allem blonde Norweger herumlaufen, erwies sich als unzutreffend. Eine Hafenstadt wie Tromsö, wo Schiffe aus aller Welt anlegen, hat ein internationales Flair. Die Vermieterin unserer Ferienwohnung zum Beispiel stammt ursprünglich aus Kuba, wo sie sich zurzeit auch aufhält. Um die Wohnung kümmert sich in der Zeit ein junger Mann aus Costa Rica, der mit einer Peruanerin verheiratet ist, und die wiederum hat mal als Au-Pair-Mädchen bei der Kubanerin gearbeitet. Sie leben und arbeiten aber alle in Tromsö.

HurtigrutenWas die Schiffe betrifft, so sind meine Lieblingsschiffe natürlich die von Hurtigruten, denn mit so einem Schiff, genauer gesagt, der „Finnmarken“ bin ich vor drei Jahren im Lofoten-Urlaub mal eine Station gefahren. Also habe ich diesmal die Zeit abgepasst, um sie noch einmal zu begrüßen.

Eine komplette Kreuzfahrt allerdings würde mich langweilen, ich brauche viel Bewegung und laufe gerne durch die norwegische Landschaft, dieses Jahr waren es die Lyngen Alpen. Wobei man dabei nicht verwöhnt sein darf, denn Wanderwege, wie wir sie uns vorstellen, gibt es nicht, allenfalls Trampelpfade, wo eben schon mal ein paar Leute gelaufen sind.

Lyngen AlpenDie Wege führen dann über einen heidekrautähnlichen Untergrund von Krähenbeerensträuchern, vorbei an kleinen Wäldchen von windgebeutelten Bergbirken und bisweilen auch über einen munter plätschernden Gebirgsbach. Dann muss man Schuhe und Strümpfe ausziehen und beherzt durch das eiskalte Wasser waten. Sehr erfrischend! Doch Beschilderung oder Entfernungsangaben – alles Fehlanzeige. Bin ja auch selber schuld, wenn ich nicht daran gedacht habe, vorher eine detaillierte Wanderkarte zu kaufen. Das verschiebe ich nun auf das nächste Mal.

Denn ein nächstes Mal wird es auf jeden Fall geben, denn Norwegen scheint zu rufen: „Komm wieder!“ Mache ich doch gerne.

Ein Blick auf die Uhr – oh, schon so spät! Ich muss meinen Laptop einpacken und zum Gate eilen!

Umarmung, Gruß und Kuss,

Deine Hanne, im Laufschritt hetzend durch den Flughafen


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